16. September 2019

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Der Borkenkäfer – Ein Puzzleteil im Naturwaldkreislauf

Der nur ein paar Millimeter grosse Borkenkäfer ernährt sich ausschliesslich von Fichten. Diese sterben dabei ab. In Wirtschaftswäldern werden Waldschäden beklagt. In einem Naturwald wie dem Sihlwald ist es anders: Hier ist der Käfer Teil des Ökosystems.
 
16. September 2019

Mit Bohrmehl am Stammfuss und Löchern in der Baumrinde beginnt der eindeutig sichtbare Fichtenbefall des Borkenkäfers – fast immer ist der Buchdrucker, die am weitesten verbreitete Borkenkäferart, am Werk. Er befällt durch Stürme geschwächte oder frisch gefallene Fichten. Der Käfer und seine Larven fressen im saftführenden Teil der Rinde, im so genannten Bast. Das erschwert den Nährstofftransport des Baumes. Weil sich der Buchdrucker sehr rasch vermehrt, haben befallene Fichten keine Chance zu überleben. Kurz nach dem Befall liegen erste Rindenstücke am Boden, die Kronen färben sich braun. Fahlgrüne Fichtennadeln fallen zu Boden. Sterbende Bäume – und gleichzeitig neu gewonnener Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Durch die absterbenden Fichten kommt an zuvor dunklen Standorten plötzlich Licht bis zum Boden. Junge Bäume, die bisher im Schatten ausharrten, streben dem Licht entgegen. Auf grösseren Flächen beginnen Pionierarten wie Holunder, Birken oder Weiden zu wachsen. Eine neue Generation Wald entsteht.

Im natürlichen Waldkreislauf nimmt der Borkenkäfer eine wichtige Aufgabe wahr: er startet den natürlichen Zyklus von Vergehen und Werden. Im Sihlwald wird diese Entwicklung der Natur überlassen. Im Rahmen des so genannten Prozessschutzes wachsen auf den neu entstandenen Flächen jene Baumarten, die dem Standort und den Gegebenheiten vor Ort in diesem Moment am besten entsprechen. «Der Borkenkäferbefall ist eine natürliche Methode, anhand welcher der Sihlwald über Jahrzehnte in ein einzigartiges Mosaik aus unterschiedlichen Baumarten und Baumgenerationen verwandelt wird», erklärt Isabelle Roth, stv. Geschäftsführerin und Leiterin des Bereichs Naturwald der Stiftung Wildnispark Zürich. Die Borkenkäfer und das damit verbundene Absterben der Fichten sind damit Bestandteil eines langen Prozesses, den der Sihlwald auf seinem Weg vom Wirtschaftswald zum Naturwald durchläuft.

Im Sihlwald dürfen und sollen natürliche Prozesse ungestört ablaufen. Für den urwaldähnlichen Wald bedeutet das Absterben der Fichten eine Veränderung in der Baumartenzusammensetzung. Zusätzlich entstehen neue Lebensräume aus Totholz für unzählige Käfer, Pilze, Moose und Flechten. Der Borkenkäfer stellt zudem eine Futterquelle für andere Waldtiere dar. Er ist ein gern gesehenes Fressen von Spechten, Schlupfwespen und Buntkäfern.

Im Wirtschaftswald bedeutet der Fichtenbefall durch Borkenkäfer für die Waldeigentümer einen finanziellen Verlust. Durch Holzschläge mit zusätzlichem Entrinden der Bäume versuchen die Eigentümer, die Vermehrung der Käferpopulation zu begrenzen. Dieses Management wird im Randbereich des Naturerlebnisparks Sihlwald ebenfalls umgesetzt.

Die Fichte ist ursprünglich ein Gebirgsbaum, der feuchtes und kühles Klima oberhalb von 800 Metern über Meer bevorzugt. Der Nadelbaum wächst schneller als andere Baumarten. Deshalb, und weil Fichtenholz lange kostendeckend oder sogar mit Profit geerntet werden konnte, pflanzten Waldeigentümer und Forstleute den Baum weit über sein natürliches Verbreitungsgebiet hinaus auch im Schweizer Mittelland an.

Auskunft:
Montag, 16. September von 15 bis 17 Uhr, Isabelle Roth, stellvertretende Geschäftsführerin und Leiterin Bereich Naturwald, Tel. 044 722 55 22 (Zentrale)

 

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